Schuldendienst im Globalen Süden so hoch wie nie
„In 45 Staaten fließen mehr als 15 Prozent der Staatseinnahmen in den Schuldendienst“, erklärt Kristina Rehbein, Politische Koordinatorin des deutschen Entschuldungsbündnisses erlassjahr.de. Pro Tag seien dies mehr als eine Milliarde US-Dollar – so viel wie noch nie. „Unsere Untersuchungen zeigen, dass viele Länder im Globalen Süden deshalb buchstäblich mit dem Rücken zur Wand stehen“, so Rehbein weiter. Dringend notwendige Investitionen in Bildung, Gesundheit und Klimaschutz seien durch den erdrückenden Schuldendienst massiv erschwert. „In Zeiten hoher globaler Zinsen können viele kritisch verschuldete Staaten den hohen Schuldendienst nur noch leisten, wenn sie dafür an anderen Stellen stark einsparen“, mahnt Rehbein.
Fehlende Schuldenerlasse gefährden Menschenrechte
„Die Ergebnisse aktueller Umschuldungsverhandlungen in kritisch verschuldeten Ländern wie Sambia, Suriname und Sri Lanka zeigen einen gefährlichen Trend: Gläubigerinteressen dominieren, echte Schuldenstreichungen gibt es daher kaum. Es sind die Menschen in den Schuldnerländern, die dafür bezahlen“, mahnt Klaus Schilder, Experte für Entwicklungsfinanzierung bei Misereor. Sri Lanka ist hier ein eindrückliches Beispiel. Ahilan Kadirgamar, Professor an der Universität Jaffna in Sri Lanka und einer der Autoren des Schuldenreports, beschreibt die Situation in dem Inselstaat: „Die Bevölkerung in Sri Lanka leidet unter stark gestiegenen Preisen für Energie. Haushalte werden vom Stromnetz abgeklemmt, wenn die Menschen die hohen Preise nicht zahlen können. Die Lebenshaltungskosten haben sich verdoppelt. Öffentliche Infrastruktur soll zum Verkauf angeboten werden, um wieder Geld für den Schuldendienst zu mobilisieren – alles Folgen der von den Gläubigern verlangten Maßnahmen im Kontext der Umschuldung.“
Sri Lanka ist kein Einzelfall. „Unsere Analysen zeigen, dass sich mehr als die Hälfte der untersuchten Länder mittlerweile in einer kritischen oder sehr kritischen Verschuldungssituation befindet. Vor Corona waren es nur 37 Prozent“, erklärt Klaus Schilder. „Umfassende Schuldenerlasse könnten einen Ausweg aus der Schuldenkrise bieten. Ohne Schuldenstreichungen rücken die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung für die betroffenen Länder in unerreichbare Ferne“, so Schilder weiter.
Jetzt die politischen Weichen stellen
2024 ist das Jahr für zukunftsweisende Weichenstellungen: Im Jahr vor der Bundestagswahl stehen wichtige internationale Prozesse an. Beim „UN Summit of the Future“ im September 2024 und den Vorbereitungen für die vierte internationale Entwicklungsfinanzierungskonferenz (FfD4) 2025 kann die Bundesregierung dazu beitragen, dass die Weltgemeinschaft endlich die Weichen für faire Entschuldungsverfahren stellt. „Die Bundesregierung muss jetzt ihr Versprechen aus dem Koalitionsvertrag erfüllen und sich dort für einen neuen Schuldenmanagementkonsens einsetzen“, so Rehbein. „Dieser kann nicht beim Status Quo verbleiben. Zentraler Maßstab muss sein, dass die Menschenrechte in den Schuldnerländern wieder in den Vordergrund rücken, und nicht die Profitinteressen der Gläubiger.“ Zu den Maßnahmen, die die Bundesregierung noch vor Ende der Legislaturperiode umsetzen sollte, gehöre etwa die Schaffung eines nationalen Gesetzes zur besseren Beteiligung von privaten Gläubigern an Schuldenerleichterungen.
Der Schuldenreport, der jährlich vom deutschen Entschuldungsbündnis erlassjahr.de und Misereor herausgegeben wird, analysiert jeweils aktuell die Verschuldungssituation von Ländern im Globalen Süden sowie die Rolle Deutschlands in der internationalen Entschuldungspolitik.
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