Gemeinsam mit 395 lateinamerikanischen und europäischen Gewerkschaften, Umwelt-, Entwicklungs-, Menschenrechts-, Indigenen- und Bauernorganisationen warnt Misereor vor einem Abschluss des geplanten Handelsabkommens zwischen der EU und dem Mercosur. „Die Risiken für die Menschen vor Ort, für die Umwelt, den Amazonas und das Klima sind gravierend. Deshalb appelliert Misereor an Bundeskanzler Olaf Scholz und Vize-Kanzler Robert Habeck, das Handelsabkommen in der jetzigen Form abzulehnen“, erklärt Misereor-Hauptgeschäftsführer Andreas Frick.
Bundeskanzler Olaf Scholz will Berichten zufolge das Handelsabkommen auch gegen den erklärten Willen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron durchsetzen. Bereits beim Mercosur-Gipfel in Montevideo am 5. und 6. Dezember beabsichtigt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine politische Einigung mit den Regierungschefs von Argentinien, Brasilien, Uruguay und Paraguay.
In einer heute veröffentlichten gemeinsamen Erklärung warnen 395 Indigenen-, Bauern-, Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen aus Europa und Lateinamerika nun eindringlich vor dem Abkommen, das zu einer massiven Ausbreitung von Bergbauaktivitäten, Viehzucht und Monokulturen von Zuckerrohr und Soja im Amazonas, Gran Chaco und Cerrado beitragen würde. Die absehbaren Folgen wären verheerende Umweltschäden, Menschenrechtsverletzungen und Vertreibungen von Bäuerinnen und Bauern sowie indigenen Gemeinschaften.
„Wir wollen keine toxischen Abkommen“
Zu den Unterzeichnern gehören neben Misereor auch mehrere Partnerorganisationen aus Brasilien, Argentinien und Paraguay. „Wir wollen keine toxischen Abkommen mehr“, unterstreicht Maureen Santos von der brasilianischen Menschenrechts- und Umweltorganisation FASE. „Das EU-Mercosur-Abkommen sieht die Abschaffung der Zollgebühren von über 90% der importierten chemischen Produkte aus der EU vor, darunter auch Pestizide, die in Europa verboten sind und die Menschen und Umwelt in den Ländern des Mercosur belasten“, so Santos. Gemeinsam mit Partnerorganisationen aus Lateinamerika und Deutschland hatte Misereor im April eine noch laufende OECD-Beschwerde wegen Verletzungen des Menschenrechts auf Gesundheit bei der Verwendung giftiger Pestizide von Bayer eingereicht.
In einem Rechtsgutachten hatten Misereor und Greenpeace außerdem beanstandet, dass das Nachhaltigkeitskapitel im Abkommen nicht dem Sanktionsmechanismus des Handelsabkommens unterliegen würde. Aktuell drängt Olaf Scholz sogar auf eine Abspaltung des Kooperationsteils, in dem die Menschenrechtsklausel verankert ist. „Ein Verzicht auf Menschenrechtsschutz und ein robustes Nachhaltigkeitskapitel wäre gerade mit Blick auf den argentinischen Präsidenten Javier Milei fahrlässig, der wiederholt seine Verachtung für die Rechte von Indigenen und Frauen, Klimaschutz und die nachhaltigen Entwicklungsziele der Vereinten Nationen bekundet hat“, warnt Armin Paasch, Handelsexperte von Misereor.