An Grenzübergängen von der Dominikanischen Republik und Haiti spielen sich seit Wochen dramatische Szenen ab. Nachdem der dominikanische Präsident Luis Abinader eine groß angelegte Abschiebungsaktion für haitianische Staatsangehörige angekündigt hatte, haben Anfang Oktober groß angelegte Massendeportationen begonnen. Misereor und seine haitianische Partnerorganisation GARR (Groupe d’Appui aux Rapatriés et Refugiés) fordern die Regierung in Santo Domingo zum sofortigen Stopp der Menschenrechte verletzenden Repatriierungspraxis auf. 

„Die Bedingungen, unter denen haitianische Migrantinnen und Migranten in der Dominikanischen Republik inhaftiert werden, sind unmenschlich“, heißt es in einem Bericht der GARR. „Die Betroffenen werden tagelang ohne Nahrung und Trinkwasser festgehalten und zusammengepfercht. Beim geringsten Anzeichen von Protest werden sie geschlagen, Sicherheitskräfte halten die Gefangenen mit Tränengas und Elektroschocks ruhig, es kommt zu körperlicher Gewalt und sexualisierten Übergriffen.“

Schwangere, Kranke, Minderjährige

Unter den Menschen, die deportiert wurden oder aufgrund des massiv gestiegenen Drucks zu einer Ausreise freiwillig zurückgekehrt sind, befinden sich demnach auch schwangere Frauen, unbegleitete Minderjährige, Menschen mit Behinderung, Kranke, Senioren und Dominikaner*innen, die fälschlicherweise für Staatsangehörige Haitis gehalten werden. „In Haiti angekommen, fehlt es ihnen an Trinkwasser, Nahrung, medizinischer Versorgung, Kleidung und psychosozialer Betreuung“, beklagt Anja Mertineit, Länderreferentin für Haiti bei Misereor, die unhaltbare Situation.

Haitianische Migrantinnen und Migranten geraten nach dem Grenzübertritt in ihr Heimatland in große Gefahr, wenn sie versuchen, in ihre Heimatdörfer zu reisen. Auf von kriminellen Banden kontrollierten Straßen riskieren sie, angegriffen zu werden. Die Banden vertreiben zudem immer mehr Menschen aus ihren Häusern in der Hauptstadt Port-au-Prince. Innerhalb von elf Tagen seien allein in diesem November mehr als 40.000 Personen geflohen, heißt es in Medienberichten.

Allein im Oktober waren mehr als 27.000 Menschen zur Ausreise aus der Dominikanischen Republik gezwungen worden. Abinader hatte angekündigt, wöchentlich bis zu 10.000 Menschen abzuschieben.

Längerfristige Begleitung

In der Dominikanischen Republik leben nach aktuellem Stand knapp 500.000 Menschen aus Haiti, wo sie über viele Jahre als Arbeitskräfte vor allem in der Landwirtschaft und der boomenden Tourismusbranche eingesetzt wurden. Misereor unterstützt die Arbeit der GARR zu Gunsten der Vertriebenen. Die Organisation leistet bereits seit 1991 humanitäre Hilfe für Migrantinnen und Migranten und begleitet diese auch längerfristig bei der Wiedereingliederung in ihre jeweiligen Gemeinschaften. GARR unterhält ein Aufnahmezentrum in der grenznahen Gemeinde Belladère. Dort erhalten Migrant*innen unter anderem Unterkunft, Nahrung und medizinische Versorgung. Zudem besteht die Möglichkeit der psychologischen und juristischen Beratung.

Zum Foto oben: Die Lage in Haiti wird immer brisanter. Hier bauen Anwohner der Hauptstadt Port-au-Prince brennende Barrikaden, um kriminelle Banden am Eindringen in ihre Wohnviertel zu hindern. Foto: Picture Alliance.