Die EU-Mitgliedstaaten haben sich gestern Abend auf eine gemeinsame Verhandlungsposition zur angeblichen „Vereinfachung“ der EU-Lieferkettenrichtlinie geeinigt. Darin fordert der Rat Abschwächungen, die über die Vorschläge der Kommission im so genannten Omnibus I Paket weit hinausgehen. Überdies soll die Frist für die nationale Umsetzung um ein weiteres Jahr auf den 26. Juli 2028 verschoben werden. Die Bundesregierung hatte im Vorfeld verhindert, dass der Rat den Erhalt der zivilrechtlichen Haftungsregel einfordert.
Armin Paasch, Menschenrechtsexperte bei Misereor, erklärt dazu:
„Die Positionierung des EU-Rats ist ein schwerer Rückschlag für Umwelt, Klima und Menschenrechte in globalen Lieferketten. Die Lieferkettenrichtlinie würde nicht vereinfacht, sondern komplett ausgehöhlt. In Deutschland würde sie nur noch 276 Unternehmen zur Achtung von Umwelt und Menschenrechten verpflichten, während das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz aktuell etwa 5.500 Unternehmen erfasst.
Es ist beschämend, dass die deutsche Bundesregierung Näherinnen, Indigenen und Bergarbeitern die Chance auf Entschädigung entziehen will, wenn europäische Unternehmen ihre Menschenrechte verletzen. In den Verhandlungen hatten Frankreich, Spanien, Portugal und andere Regierungen zuvor für den Erhalt der zivilrechtlichen Haftungsregel plädiert. Die Bundesregierung beharrte jedoch zusammen mit Ungarn und Rumänien auf deren Streichung. Dabei hatte sich Bundeskanzler Friedrich Merz noch in seiner gestrigen Rede beim Tag der deutschen Industrie zum ‚Haftungsprinzip‘ bekannt.
Es bleibt zu hoffen, dass das Europäische Parlament das Schutzniveau der Lieferkettenrichtlinie gegenüber Kommission und Rat verteidigt. Entscheidend ist neben der Haftungsregel, dass Sorgfaltspflichten nicht auf wenige Konzerne und deren direkte Zulieferer beschränkt werden. Unternehmen müssen zudem weiterhin zur Umsetzung von Klimaplänen verpflichtet werden statt nur zu deren Erstellung.“