Präsident Bolsonaro und der Hunger in Brasilien
In Brasilien geht der Wahlkampf in seine heiße Phase. Dabei herrscht vor allem ein Thema vor: Hunger und wie die Politik die Ernährungssicherheit des Landes bestimmt.
(Aachen/Berlin, 30. September 2022). Im Vorfeld der Wahlen in Brasilien äußert sich Misereor-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel zur Amtszeit des Präsidenten Jair Bolsonaro und zu seinen Erwartungen an die neue Regierung.
„In nur vier Jahren ist Brasilien unter Jair Bolsonaro auf die Weltkarte des Hungers zurückgekehrt. Zugleich brüstet er sich damit, die Welt mit Soja und Mais zu ernähren, was wiederum das klimatische Ungleichgewicht verstärkt. Während Bolsonaro große Sojaproduzenten und Rinderzüchter für den Export nach Europa und China schützt, leiden 33 Millionen Menschen in Brasilien unter Hunger. Besonders betroffen sind Indigene, deren demokratische Regierungsorgane er beschnitten hat, und Familien in den städtischen Randgebieten.
Die Folge ist ein erschreckender Anstieg von Armut und Hunger. Die Zahl der Obdachlosen und der auf der Straße lebenden Familien ist stark angestiegen. In São Paulo hat sie sich laut der Volkszählung 2021 während der vergangenen zwei Jahre um 54 Prozent erhöht. 32.000 Personen leben auf den Straßen der Stadt - ein Rekordwert; die Dunkelziffer dürfte wesentlich höher liegen.
In Bolsonaros Amtszeit gab es unkontrollierte Abholzung im Amazonasgebiet und kriminelle Waldbrände wie lange nicht, einhergehend mit einer völligen Vernachlässigung von Umweltgesetzen. Von August 2020 bis 2021 wurden mehr als 13.000 Quadratkilometer Wald vernichtet, eine Fläche fünfmal so groß wie das Saarland, und ein Rekord in der eigenen Amtszeit. Zugleich wurden in den vergangenen drei Jahren mehr neue Pestizide zugelassen als in den 20 Jahren zuvor, nämlich 1560, von denen 44 Prozent in der Europäischen Union verboten sind.“
Misereor-Forderungen an die neue Regierung:
„Ich hoffe, dass in Brasilien nach der Wahl am 2. Oktober eine Etappe beginnt, die ein Ende der Korruption, der Lügen und der Zerstörung auf den Weg bringt. Mit unserer Strategie der Zusammenarbeit und Solidarität sind wir Teil dieses Prozesses. Nach dem extrem polarisierten und aufgeheizten Wahlkampf ist es wichtig, die demokratischen Räume für soziale Teilhabe wiederherzustellen und die Vision eines gerechteren und nachhaltigen Staates zu verwirklichen. Brasilien braucht Regeln für Unternehmen und staatliche Behörden, egal auf welchem Gebiet. Dekrete, die den Bürgern und Bürgerinnen Brasiliens Rechte entzogen haben, müssen rückgängig gemacht werden. Der Beirat für Ernährungssouveränität und das Sekretariat für Solidarwirtschaft müssen unter Beteiligung der Zivilgesellschaft wieder eingeführt und die Organisation FUNAI (Fundação Nacional do Índio) zur Stärkung der Rechte von Indigenen wieder mit umfassenden Befugnissen ausgestattet werden. Dazu kann Europa beitragen, indem das Freihandelsabkommen der EU mit Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay (Mercosur) in sozialen und ökologischen Belangen nachgeschärft wird.“
Unter diesem Link finden Sie Stimmen unserer Partnerorganisationen zur Wahl in Brasilien.
Gerne vermitteln wir Ihnen Gesprächspartner*innen in Brasilien und Interviews mit unseren Länderexpert*innen.