Als das Leben sinnlos geworden war
Ruanda 20 Jahre nach dem Völkermord: Eine Wander-Ausstellung erzählt die Lebensgeschichten von Überlebenden, Tätern und Mitläufern. Sprechen wir über Marie Mukarutabana: Als vor gut…
Die Wanderaustellung zeigt Bilder und Geschichten von Menschen, die ihr Leben 20 Jahre nach dem Genozid in Ruanda wieder aufgebaut haben.
Der Völkermord in Ruanda begann am 6. April 1994 und dauerte bis Mitte Juli 1994 an. Die Gewalttaten kosteten zirka 800.000 bis 1.000.000 Menschen das Leben. Ruanda hat heute über drei Millionen rückkehrwillige Flüchtlinge wieder aufgenommen, mehr als 60.000 Kämpfer wurden demobilisiert und die sogenannten „Gacaca-Gerichte“ haben Tausende von ehemaligen Gefangenen in ihre Herkunftsgemeinden zurückgeschickt.
Im Zentrum der MISEREOR-Ausstellung stehen die Traumatisierungen der Menschen. Der Völkermord hat seelische Verletzungen hinterlassen, aber auch Lücken gerissen – innerhalb der Gesellschaft, in den Dorfgemeinschaften und sogar innerhalb von Familien – und hat die Überlebenden und auch die nächste Generation verletzt zurückgelassen.
Alle Betroffenen haben erlebt, wie schnell eine Situation sich ändern kann, wie schnell ein Völkermord vonstatten gehen kann. Alles ist fragil, nichts ist wirklich fest, es gibt keine unverrückbaren Wahrheiten.
Jeden Tag musste ich das Morden mit ansehen. Ich habe nichts getan, um das Blutvergießen zu verhindern, weil ich selbst um mein Leben fürchtete.
© Carol Allen Storey / International Alert / MISEREOR
Ich habe mit angesehen, wie die Milizen meine gesamte Familie heimtückisch mit Macheten ermordet haben. Mich haben die Kämpfer am Leben gelassen und sexuell missbraucht, jeden Tag, ich weiß nicht, wie oft.
© Carol Allen Storey / International Alert / MISEREOR
Nach dem Krieg hat mein Mann mich verlassen. Ich bin eine Tutsi und er ein Hutu. Ich habe nicht verstanden warum, denn schließlich hat er mich während des gesamten Krieges beschützt.
© Carol Allen Storey / International Alert / MISEREOR
Als der Genozid ausbrach, mussten wir auf Anordnung der Behörden mitmachen. Wer sich weigerte, dem drohte selbst der Tod. Nach Kriegsende flüchtete ich in den Kongo, um einer Gefängnisstrafe zu entgehen.
© Carol Allen Storey / International Alert / MISEREOR
Ich war fünfzehn Jahre alt, als der Völkermord begann. Ich erinnere mich, dass die Kämpfer der Interahamwe in unser Haus eindrangen und unsere Hutu-Ausweise sehen wollten, weil sie den Verdacht hatten, dass wir Tutsi sein könnten.
© Carol Allen Storey / International Alert / MISEREOR
Daher arbeitet die Ausstellung nicht mit einem festen Material, sondern mit Stoff: Bilder und Texte hängen auf Stoffstücken an 6 Leinen. Sie bewegen sich, sie können bewegt werden, sie haben ihre Eigendynamik. Auf den Leinen bleiben Lücken, sie sind nicht durchgängig bespannt. Die Lücken, die Dinge, über die nicht gesprochen werden können, werden so sichtbar gemacht.
Die Besucher verbinden die Ausstellungsform vielleicht mit „Wäsche“. Das ist durchaus gewollt. „Wäsche“ steht auch für Verschleiß, Risse, Flicken und damit für Dinge, die nicht mehr in Ordnung zu bringen sind oder denen man die versuchten Reparaturen ansieht. Darüber hinaus ist der Trocknungsprozess, an den mit dem Wäscheaufhängen erinnert wird, mit der Entwicklung von Fotos vergleichbar: Vieles wird erst sichtbar, wenn es getrocknet ist.
Die Ausstellung stellt auch die Arbeit von International Alert Ruanda, einem langjährigen Projektpartner von MISEREOR vor. Mit Friedensgesprächskreisen in Gemeinden und Schulen, Trauma-Therapiegruppen und Ausbildungsprojekten leisten sie einen großen Beitrag zu Versöhnungs- und Friedensarbeit.
Nach dem Völkermord hat ein beeindruckender Wiederaufbauprozess stattgefunden. Ruanda ist ein einflussreiches Mitglied der ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC) geworden und die Hauptstadt Kigali boomt. Bei allen sichtbaren Fortschritten bleibt Ruanda allerdings ein tief gespaltenes und fragmentiertes Land.
Die Ausstellung zeigt Fotos und Texte auf Stoffstücken an sechs Leinen. Sie ist ausschließlich für den Einsatz in geschlossenen Räumen konzipiert.
Carol Allen Storey ist eine preisgekrönte Fotojournalistin, die sich auf die Dokumentation humanitärer und sozialer Themen spezialisiert hat.
Im Jahr 2012 war die Fotografin mehrere Wochen in Ruanda, um Bilder und Geschichten von Menschen einzufangen, die sich mit der Unterstützung von International Alert und seinen Partnern ein neues Leben aufbauen.
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